September 05, 2011

CARL OTTO CZESCHKA - Ein Wiener Künstler und die Hamburger Wirtschaft

Bauhütte Hamburg
Carl Otto Czeschka wurde am 22. Oktober 1878 als Sohn des Tischlermeisters Wenzel Czeschka in Wien geboren. Seine Mutter Mathilde geb. Hafner war Näherin und Stickerin. Sie starb an einer Lungenkrankheit, als er fünf Jahre alt war. Schon früh zeigte sich die Begabung des Kindes für das Zeichnen. Bereits als Dreijähriger zeichnete er am liebsten Pferde mit weißer Kreide auf dem mit schwarzem Wachstuch bedeckten Esstisch. Die Pferde in den Straßen Wiens hatten es ihm angetan, insbesondere die Kavallerie mit Marschmusik sah er mit Begeisterung. Größten Eindruck hinterließen bei ihm die Paraden im Frühjahr und zu Kaisers Geburtstag. Seinem Vater durfte er schon früh in der Tischlerwerkstatt für kleine Galanteriewaren tatkräftig helfen. Bei ihm fühlte er sich geborgen, trotz der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Vaters und dem häufigen Wohnortwechsel innerhalb der Stadt. Der Vater arbeitete abends zusätzlich als Bühnenarbeiter in der Oper. Der Onkel, der nach dem Tod der Mutter den Haushalt führte, war Orgelbauer und wurde für Czeschka hinsichtlich der Genauigkeit der handwerklichen Arbeit zum Vorbild.

Eine Schulgeldbefreiung ermöglichte Czeschka den Besuch des Esterhazy-Gymnasiums, zu dessen Lehrern er jedoch kein Vertrauen hatte. Nachdem er als Elfjähriger den Unterricht geschwänzt hatte, um im Museum für Kunst und Industrie Bilder und Bücher zu betrachten, musste er die Schule verlassen, denn der Vater konnte das Schulgeld in Höhe von 20 Gulden nicht aufbringen. Czeschka begann eine Tischlerlehre bei seinem Vater und ging dann zur Realschule. Ab 1891 bereitete er sich auf der Abendschule gezielt auf das Kunststudium vor und finanzierte dies durch eine von seinem Freund Koloman Moser vermittelte Zeichenlehrerstelle bei den Kindern des Erzherzogs Karl Ludwig, des jüngeren Bruders von Kaiser Franz Joseph I.

Nach dem Studium bei Christian Griepenkerl an der Wiener Akademie der bildenden Künste von 1894 bis 1897 lehrte Czeschka dort zunächst als Hilfslehrer und später als Lehrer. Er erhielt schon früh Aufträge des Verlegers Martin Gerlach und der Wiener Druckerei C. Angerer & Göschl.

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen Koloman Moser und Josef Hoffmann begann an der 1903 gegründeten »Wiener Werkstätte« (WW) und wurde bis 1914 weitergeführt, auch nachdem Czeschka 1907 an die Kunstgewerbeschule in Hamburg berufen worden war. Seine eigenen handwerklichen Fähigkeiten und Kenntnisse kamen ihm bei seinen Entwürfen für die »Wiener Werkstätte« neben seiner zeichnerischen Begabung und Phantasie sehr entgegen. Seine Arbeiten waren von großer Materialtreue geprägt – gleichgültig ob es sich um Zeichnungen und Grafiken handelte oder um Entwürfe für Schmuck, Besteck und Ziergerät, Stoff-Designs, Holzschnitte, Buchillustrationen, Kalender, Post- und Spielkarten, Schriften, Bühnenentwürfe und Kostüme, Möbel, Bildteppiche und Glaskunstfenster. Zu den Hauptwerken Czeschkas aus seiner Wiener Zeit gehören die Kaiserkassette, ein Geschenk der Skoda-Werke Pilsen an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1905) und das Collier mit Feueropalen im Rahmen der Schmuckabteilung der »Wiener Werkstätte« (1909/1910). Etwa ab 1906 wurde Czeschka an den Entwürfen der »Wiener Werkstätte« für das Palais Stoclet in Brüssel beteiligt, dem Gesamtkunstwerks der »WW« des Architekten Josef Hoffmann. Dort gestaltete er u.a. sieben Fenster mit allegorischen Darstellungen für den Musiksaal des Palais und die beiden Marmorreliefs »Erzengel Michael« und »Allegorische Frauenfigur auf der Mondsichel« für die Halle des Palais.

Mit der Arbeit für den Verlag von Martin Gerlach (Gerlach & Schenk, Gerlach & amp; Wiedling) begründete Czeschka einen neuen wichtigen Schwerpunkt in seinem Werk, die Grafik- und Buchkunst. »Die Nibelungen« von Franz Keim, ein nahezu quadratisches Bändchen mit nur 68 Seiten, gilt als eines der schönsten Jugendstil-Bücher. Es erschien bei Gerlach & amp; Wiedling in mehreren Auflagen (1909, 1920, 1924), 1970 bei Parkland und später im Insel-Verlag.

Czeschka trennte sich 1907 von seiner Vaterstadt, um der Berufung nach Hamburg an die Kunstgewerbeschule am Steintorplatz zu folgen. Der Wiener Kritiker Ludwig Hevesi bezeichnete den Weggang Czeschkas als »Unglück« für Wien. Czeschka versorgte seinen Vater bis zu dessen Tod 1915 finanziell, damit dieser nicht länger in Geldsorgen leben musste.

1909 begegnete Czeschka dem Weltreisenden Julius Konietzko und freundete sich mit ihm und seiner Familie an. Konietzko brachte von seinen Exkursionen Kunstwerke aus Afrika mit nach Hamburg, u.a. für den Aufbau einer Sammlung im Neubau des Museums für Völkerkunde an der Rothenbaumchaussee (1908–1912). Czeschka war fasziniert von der Kunst des schwarzen Kontinents und begann selber, ethnologische Objekte zu sammeln, die ihn auch in seiner eigenen Arbeit inspirierten.

Noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erhielt er Aufträge der 1833 gegründeten Hamburger Schriftgießerei Genzsch & amp; Heyse und beteiligte sich mit Plakaten an den Vorbereitungen der großen Tapetenausstellung 1911 in der Ferdinandstraße / Alsterdamm (seit 1947 Ballindamm). Ebenfalls 1911 ermöglichte Justus Brinckmann im Museum für Kunst und Gewerbe eine große Ausstellung zu Ehren der beiden Professoren Richard Luksch und Carl Otto Czeschka. Interessant ist es, dass in diesem Museum 1912 eine Ausstellung über Schaufenstergestaltung stattfand. Später wurde Czeschka von der »Detaillistenkammer« zum Mitglied der Oberjury für die Hamburger Schaufensterwettbewerbe berufen.

Die für ein halbes Jahr (von Mai bis Oktober 1914) konzipierte große internationale Messe des Buchgewerbes »BUGRA« in Deutschlands führender Buchstadt Leipzig, muss mit ihren Pavillons, Hallen und lebenden Werkstätten beeindruckend gewesen sein. Der Katalog des Österreichischen Hauses zeigte Czeschkas Holzschnitte von der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Ihm wurde der Königlich-Sächsische Staatspreis verliehen. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. August wurde die BUGRA vorzeitig beendet.

Der aus Dresden nach Hamburg berufene Fritz Schumacher hatte sich schon sehr früh zum Ziel gesetzt, für die Schule am Steintorplatz Erweiterungsmöglichkeiten in einer Kunstgewerbeschule neuen Typs zu schaffen. Sie sollte moderne und großzügige Werkstätten für alle künstlerischen Betätigungen erhalten. An der Ausstattung des Gebäudes beteiligte er die an der Schule tätigen Professoren – u.a. Carl Otto Czeschka, den Bildhauer Richard Luksch und den Maler Willy von Beckerath.

1913 wurde der Neubau der Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld, die heutige Hochschule für Bildende Künste fertig. Von Czeschka stammte der Entwurf für das große Schmuckfenster »Die Botschaft der Schönheit« in der Treppenhalle, das ebenfalls zu seinen Hauptwerken zu zählen ist. 30 Jahre, von 1913 bis 1943, unterrichtete Czeschka am Lerchenfeld. Er war ein einflussreicher Lehrer. Seine penible Genauigkeit war bekannt und respektiert, aber auch seine Fähigkeit, die Schüler ihren Begabungen entsprechend zu fördern. Zahlreiche erfolgreiche Grafiker beriefen und berufen sich darauf, seine Schüler gewesen zu sein.

Zwei Jahre nach dem Lerchenfeld-Fenster entstand im Neubau der Gewerbekammer am Holstenwall (heute Handwerkskammer) die Fensterserie »Die Handwerke«. Es war Fritz Schumacher ein zweites (und damit leider letztes) Mal gelungen, Czeschka für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Inzwischen war den Professoren vom Lerchenfeld verboten worden, Aufträge für Staatsbauten anzunehmen. Weil die Fenster im Großen Saal des Gewerbehauses jedoch durch Stiftungen von Innungen und Verbänden ermöglicht wurden, konnte Czeschka den verschiedenen Handwerksberufen 1915 ein Denkmal setzen. Von den Bombenangriffen im Juli 1943 wurde zwar das Gewerbehaus weitgehend verschont, jedoch gingen die Fenster durch den Explosionsdruck zu Bruch. Ebenfalls zerstört wurden zwei Fenster-Triptychen Czeschkas in der Gnadenkirche St. Pauli-Nord.

Das Fenster der Kunstgewerbeschule war rechtzeitig ausgebaut und eingelagert, dann allerdings vergessen worden. Der große Schumacherbau am Lerchenfeld wurde weitgehend zerstört und mit ihm Czeschkas Atelier und der Klassenraum. Nur dem beherzten Einsatz von zweien seiner Schüler, Helmut Scaruppe und Norbert Bork, ist es zu verdanken, dass die umfangreichen Arbeiten, die Czeschka am Lerchenfeld sorgfältig aufbewahrt hatte, aus den Trümmern gerettet wurden. Ihnen ist ferner zu verdanken, dass der künstlerische Nachlass relativ vollständig erhalten geblieben ist.

Ab 1918 arbeitete der leidenschaftliche Zigarrenraucher Czeschka für seinen größten und wichtigsten Auftraggeber, die Zigarrenfabrik L. Wolff, die Louis Wolff 1867 in Hamburg gegründet hatte, und deren Vertriebsfirma HACIFA mit Läden bevorzugt in 1a-Lagen. Nach seiner Emeritierung und nach dem Krieg beschäftigte sich Czeschka mit dem Wiederaufbau und Umbau der HACIFA-Läden. Als Czeschka 1958 seinen 80. Geburtstag feierte, wurden die Schaufenster aller ca. 60 HACIFA-Läden entsprechend dekoriert – und fotografiert.

Anfang der zwanziger Jahre erhielt Czeschka von dem Bremer Kunstsammler und Exportkaufmann Sigmund Gildemeister den Auftrag, für dessen neu errichtete Villa im Stadtteil Hamburg-Hochkamp einen Gobelin zum Thema »Tausendundeine Nacht« zu entwerfen. Die Weberin Martha Heller übernahm gemeinsam mit fünf anderen Frauen die Webarbeit. Martha war die Witwe von Hans Heller, einem mit Czeschka befreundeten Professor am Lerchenfeld, der im Ersten Weltkrieg gefallenen war. Sie entwickelte bei der Vorbereitung des Gobelins die »schlitzlose Gobelintechnik«, die sie sich beim Reichspatentamt unter der Nr. 447973 schützen ließ. Als der Gobelin 1926 fertig war, heirateten die beiden. Der Gobelin wurde mehrfach auf Ausstellungen und 1955 auch im Foyer der Hamburgischen Staatsoper gezeigt. Der 9 qm große Gobelin befindet sich weiterhin im Besitz der Familie des Auftraggebers Gildemeister. Der Karton, die Vorlage des Bildteppichs, gelangte in das Museum für Kunst und Gewerbe.

Ein großer persönlicher Schicksalsschlag für den Künstler war im August 1951 der Tod seiner Frau Martha, mit der er seit den zwanziger Jahren zusammengelebt hatte. Freunde kümmerten sich um ihn, u.a. auch die Witwe seines im April 1952 verstorbenen Freundes Julius Konietzko. Kurz vor seinem Tod am 30. Juli 1960 heiratete Czeschka Elfriede Konietzko. Sein Nachlass konnte auf diese Weise durch sie und nach ihrem Tod in den siebziger Jahren durch ihren Enkel Henner Steinbrecht an das Museum für Kunst und Gewerbe übergeben werden.

Text: HELLA HÄUSSLER 
Bearbeitung: Billbrookkreis e.V. 
Bild: Karton zu einem Schmuckfenster für die Handwerkskammer Hamburg;
Foto: Museum für Kunst und Gewerbe

Zur Ausstellung in der Handelskammer zu Hamburg erscheint ein Katalog